Das Werktags zweiminütige Glockenläuten um sechs Uhr in der Früh empfand ein Anwohner als so störend, dass er gegen die Kirchengemeinde klagte. Zur Begründung führte er an, dass er gezwungen sei ein akustisch religiöses Zeichen zu hören, welches ihn selbst bei seinem Studium der Bibel und der Meditation stören würde. In dieser Störung liege eine nicht hinnehmbare Verletzung seiner Religionsfreiheit. Die beklagte Kirchengemeinde hingegen berief sich auf ihr kirchliches_Selbstbestimmungsrecht und ebenfalls auf die Religionsfreiheit. Bei dem morgendlichen Läuten der Glocken würde es sich um einen sozial angemessenen und seit langem gepflegten Brauch handeln, der als Symbol für den Tagesbeginn mit Gott stehen würde, weshalb das Begehren des Anwohners ungerechtfertigt sei.
Dieser Auffassung der Kirche schloss sich in der Berufung auch der Verwaltungsgerichtshof an. Bei der Akustik des Glockenläutens handelt es sich demnach nicht um eine schädliche Umwelteinwirkung im Sinne des Bundesemissionsschutzgesetzes. Vielmehr stellt es eine herkömmliche, sozial angemessene und allgemein akzeptierte Immission dar. Auch die nur bis sechs Uhr am Morgen bestehende Nachtruhe sei nicht verletzt. Zwar ist der Kläger in seiner Religionsfreiheit betroffen, jedoch gehe die Beeinträchtigung durch die Kirche aus, welche mit dem Läuten ebenfalls ihre Grundrechte ausübt. Als Maßstab der sich gegenüberstehenden Rechte sind die gesetzlichen Schwellwerte heranzuziehen, welche vorliegend aber nicht durch das Glockenläuten übertroffen werden, weshalb das Begehren des Klägers im Ergebnis abzulehnen war.
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil VGH BW 1 S 241 11 vom 19.06.2012
Normen: Art. 4 I, II GG, BImSchG